Eine Zugreise in den Süden bietet die Zeit, die vergangenen Monate Revue passieren zu lassen. Wahlkampf und Bundespolitik, ein ernüchterndes Ergebnis und ein Ausblick darauf, was kommen mag.
Wahlkampf und Bundespolitik
Meine Partei DIE LINKE macht oftmals einen zerstrittenen Eindruck. Vieles könnte man hierzu ausführen; einiges würde das widerlegen, anderes bestätigen. Zwei Dinge sind in diesem Kontext aus meiner Sicht besonders spannend: Einerseits steigt das Potential für Standpunkte, die unvereinbar, je weiter man sich im föderalen System nach „oben“ bewegt.
In der kommunalen Ebene ist es ungebrochener Konsens, dass öffentliche Infrastruktur – seien es nun Krankenhäuser oder KiTas – nicht in private Hände gehört: Menschen vor Profite, ein Grundsatz, den jeder und jede teilen kann. Auf Landesebene wird es dann schon diffiziler; ein Bildungssystem muss her, dass nicht Menschen aussiebt und sie in eine Kastenform presst – sondern eines, dass alle mitnimmt und sie darauf vorbereitet, mündige Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft zu sein. Innere Sicherheit indes ist zeitweise ein kleines Minenfeld. Und im Bund – wo Fragestellungen dann auch grundsätzlicher beantwortet werden können – gibt es viel Konfliktpotential, das eskalieren kann. Lagerbildung aufgrund von persönlichen Animositäten tun dann ihr übriges.
Natürlich habe ich zu den meisten der Konfliktthemen, sei es nun die Frage von Waffenlieferungen, Energiewende, Innere Sicherheit, Asyl oder Migrationspolitik eine Meinung. Ich halte damit auch nicht hinterm Berg, wenn ich gefragt werde (vergleiche XXXXX – ein Text, der aus meiner Sicht weiterhin so stehen bleiben kann). Ich glaube jedoch, dass ein Referat an dieser Stelle wenig sinnstiftend ist.
Warum ist das aber relevant für den _Kommunal_wahlkampf? Berechtigte Frage! Aus zweierlei Gründen:
- Die Außenwahrnehmung einer Partei, die von permanentem Streit bestimmt wird, bewirkt schlussendlich einen massiven Vertrauensverlust bei den Menschen – vor allem bei denen, die ob Ihrer Lage bereits genug haben, über dass sie sich sorgen müssen.
Wie oft wir am Infostand auf prominente Personen aus der Bundestagsfraktion angesprochen wurden und wie wenig Interesse die Menschen an kommunalen Themen hatten, fand ich sehr beeindruckend; es deckt sich aber leider mit Erfahrungen anderer Akteure in politischen Parteien. - Die Fremdwahrnehmung verändert auch einen selbst – ob nun bewusst oder unbewusst.
Mit zunehmend schlechter werdendem Bundestrend und darüber hinaus dem Gefühl, bei einigen den Menschen sehr wichtigen (bundespolitischen) Themen keine klare Aussage treffen zu können, wird Parteiarbeit sehr zäh.
Im Ergebnis kann als Resümee des Wahlkampfes festgehalten werden, dass es zunehmend anstrengend war, sich selbst – und im Ergebnis auch andere – zu motivieren, die „Extra-Meile“ zu gehen, was sich in der (im Vergleich zur Landtagswahl gefallenen) Anzahl der aufgehängten Plakate, wenig Materialverteilen und einem Ausfall des viel beschworenen Werkzeugs Haustürwahlkampf messen lässt. Einzig die Infostände in Rendsburg haben wir eisern durchgezogen. Gleichwohl gehört zur Wahrheit auch, dass wir – gemessen an den vorhandenen personellen Ressourcen – auch nicht in Sack und Asche gehen müssen.
Wahlergebnis
Die logische Konsequenz dessen ist ein Wahlergebnis, mit dem wir nicht zufrieden sein können. Selbst ohne den Schwarz-Grünen Angriff auf die kleinen Parteien (gemeint ist die Heraufsetzung der Mindestanzahl auf 3 Abgeordnete) hätten wir mit einem Ergebnis von 1,4% und einem Verlust von 1,9% den Fraktionsstatus verloren. Ein verbleibender Abgeordneter (mir) vertritt nun die Interessen von 1.725 Menschen, die sich LINKE Politik in Rendsburg-Eckernförde wünsche. Trotz aller Verluste ist diese Tatsache auch ein Aspekt, der mich dankbar und demütigt macht und dem ich mich verpflichtet fühle – dazu allerdings später mehr.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Zahlen sich durch die nachgeholte Wahl im Wahlkreis Eckernförde-Nord am 11.06.2023 noch ändern werden. Auch den Menschen in Eckernförde-Nord, die ihr Kreuz im Kreis für DIE LINKE machen werden, danke ich selbstverständlich!
Ich ziehe immer gerne die Analysen der Rosa-Luxemburg-Stiftung heran – aber darauf kann ich hier nicht verweisen, da sie (noch) nicht vorliegt. Also muss ich mich an dieser Stelle selbst versuchen. Aus meiner Sicht haben folgende Aspekte maßgeblich eine Rolle dafür gespielt, dass das Ergebnis dergestalt unbefriedigend ist:
- Hinsichtlich des Bundestrends habe ich aus meiner Sicht bereits genug ausgeführt
- Der Nichtantritt in der Stadt Eckernförde wird sicher dafür gesorgt haben, dass wir Wählerinnen und Wähler verloren haben, die lieber „das gleiche Kreuz in Stadt und Kreis“ machen“
- Den Abgang bekannter und geschätzter Genossinnen sowohl im Kreistag als auch in der Ratsversammlung in Rendsburg und damit auch der Wegfall von Ressourcen und Kompetenzen
- Die Probleme dabei, die – aus meiner Sicht weiterhin richtigen – Inhalte auch breit in die Öffentlichkeit zu tragen
- sowie „last but not least“: die eigene, organisatorische Schwäche
Keiner dieser Punkte ist als Kritik an konkrete Personen gerichtet – es ist lediglich eine Auflistung der Aspekte, deren Abstellen darüber entscheidet, ob wir hier vor Ort in den kommenden Jahren wieder bessere Ergebnisse einfahren – das wollen wir, und wenn ich mir die politische und die gesellschaftliche Lage aktuell ansehe: das müssen wir auch!
Was kommen mag
An dieser Stelle noch einmal zum Thema Demut. Wenn mich aus meiner Sicht in der Ausübung meines Mandates überhaupt etwas – moralisch – bindet (juristisch handeln Abgeordnete nach „ihrer freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung“), dann ist es der Wille der Menschen, deren Interessen ich dort vertreten soll.
Mit einem Erstwähler hatte ich mich jüngst unterhalten; sein Auftrag war so trivial wie mir entgegenkommend: „Ich erwarte von dir vor allem, dass du die Nazis beleidigst“. Für dieses Vorhaben habe ich ja – zu meinem Leidwesen und auch dem der Demokratie – künftig genug Auswahl und werde lediglich darauf achten, dass es nicht justiziabel ist. Die beste Beleidigung ist so gut gemacht, dass der Adressat diese mangels Intellekt als Freundlichkeit interpretiert.
Aber das kann nicht alles sein. Damit kann noch will ich damit fünf Jahre füllen. Gleichwohl bin ich jedoch nicht derart naiv, dass ich davon ausgehe, als Einzelperson die Welt vom Kopf auf die Füße stellen zu können – vor allem nicht bei der konservativ-neoliberalen Mehrheit im Kreistag. Also habe ich mich für zwei Dinge entschieden:
- Nach langen eigenen Überlegungen, Gesprächen mit Genoss*innen und persönlichen Vertrauen habe ich mich entschieden, eine Zusammenarbeit mit einer anderen Fraktion anzustreben. Warum andere Alternativen für mich keine Option waren, was das bedeutet und wohin das aus meiner Sicht führen soll, beschreibe ich im nächsten Blogeintrag.
- Politische Arbeit ist die Pflicht – Öffentlichkeitsarbeit die Kür. Um über das kommunalpolitische Geschehen für diejenigen, in deren Auftrag ich im Kreistag sitze (und natürlich auch für alle anderen Interessierten) zur berichten und um dies aus linker Sicht einzuordnen, werde ich Blogeinträge wie diese auf meiner Webseite veröffentlichen. Hierzu werde ich den „Hashtag“ #kreisTagebuch nutzen – denn es geht sowohl um den Kreistag, als auch um Persönliches.
Zweiteres werde ich nicht regelmäßig schaffen – zu reden um des Redens willen ist Geschwafel. Ich stehe jedoch in jedem Fall per E-Mail, Social Media oder per Messenger bereit; die Kontaktdaten finden Sie auf meiner Webseite.