Spätestens die Pandemie hat das Thema Homeoffice auf die Tagesordnung gesetzt. Auch in der Partei DIE LINKE wird nun verstärkt diskutiert: Überwiegt die Chance auf gute digitale Arbeit und Emanzipation oder überwiegt das Risiko der (Selbst-)Ausbeutung und soziale Isolation?
Im März des Jahres 2020 passierte eine Wunder, dass in der Größenordnung in der Arbeitswelt nicht oft passiert; Arbeitgeber, sowohl Unternehmen als auch Behörden, haben umgesetzt, was jahrelang als Ding der Unmöglichkeit, als organisatorisch und datenschutzrechtlich nicht umsetzbar oder schlichtweg als zu teuer galt: Homeoffice für die Arbeitnehmer*innen, deren Tätigkeit es zulässt, die Arbeit nicht im Büro, sondern am Laptop, PC oder Telefon zu leisten. Die drohende Gefahr, Mitarbeitende ansonsten aus Notwendigkeiten des Infektionsschutzes unter Umständen bei voller Bezahlung freistellen zu müssen und die Arbeitskraft dabei tatsächlich zu verlieren, sorgte schnell dafür, alte Ressentiments und „Gutsherrenhaftigkeit“ hintenanzustellen. Welche Vorteile kann uns nun diese Adhoc-Maßnahme gesellschaftlich bringen und was sind Spielregeln, die hierfür gelten müssen?
Zuerst fiel einem auf, wie leer die Straßen und Autobahnen in dieser ersten Phase des Shutdowns waren; wenn Menschen nicht mehr zur Verrichtung ihrer Arbeit an einen andere Ort fahren müssen, reduziert das merklich den Individualverkehr. Der hierdurch wegfallende CO2-Ausstoß schont nicht nur das Klima, das „Weniger“ an Verkehr reduziert auch die Lärmbelastung für Anwohner*innen und schützt die Tierwelt.
Aber auch die ländliche Region kann hier langfristig profitieren. In vielen Ortschaften gibt es keine Einkaufsmöglichkeit mehr; kleine Supermärkte oder Cafés sind nicht rentabel, wenn die Menschen in Kiel, Neumünster, Rendsburg oder Eckernförde konsumieren und auf dem Heimweg die Einkäufe erledigen. Menschen, die sich öfter am Zuhause aufhalten, dürften automatisch für wohnortnahe Nachfrage sorgen. Darüber hinaus könnten sich auch wieder mehr Menschen für einen Wohnort abseits der Städte und Randgebiete entscheiden, wenn sich nicht mehr (täglich) pendeln müssen. Und auch für die Arbeitnehmer*innen bieten sich neue Chancen. Der Wegfall des Pendelns spart Zeit und Geld, erspart Stress und erhöht somit insgesamt die Lebensqualität.
Natürlich müssen auch die Schattenseiten beleuchtet werden. Ein Gefühl des „Nicht mehr Abschaltenkönnens“ kommt einfacher auf, wenn die örtliche Trennung zwischen Arbeitsplatz und Lebensmittelpunkt verschwimmt. Es ist jedoch keineswegs ein neuer Kampf, lediglich ein neuer Schauplatz; die Erwartung der Arbeitgeberseite, stets erreichbar zu und bereitwillig zu sein, ist nicht neu und wird dann enden, wenn es betriebliche oder gesetzliche Regelungen zum Recht auf Nichterreichbarkeit gibt. Auch wird befürchtet, dass es zu einer sozialen Isolation und zu Rissen im sozialen Miteinander in den Betrieben führen kann; auch diesem Risiko kann und muss jedoch begegnet werden. Feste Präsenztage für alle Beschäftigten, Teambuilding-Maßnahmen, ergänzende Videokonferenzen; ein Blumenstrauß an Maßnahmen steht zur Verfügung.
Und was passiert mit denjenigen, deren Tätigkeit nicht ins Konzept Homeoffice passt? Der Verkäuferin, der Krankenschwester und dem Paketbote kann ehrlicherweise nicht versprochen werden, ihrer oder seiner Tätigkeit vom heimischen Schreibtisch aus nachgehen zu können. Aber natürlich ist auch für diese Berufsgruppen ein Platz in einem gesellschaftlichen Konzept. Was geschieht eigentlich mit dem Geld, dass Arbeitgeber durch dann wegfallende Ausgaben für Miete, Heizung, Strom, Wartung, Infrastruktur usw. einsparen? Und warum braucht es diesen Beitrag, um – insbesondere in Corona-Zeiten – eine monetäre Präsenzzulage – ins Spiel zu bringen?
Allen Risiken zum Trotz oder vielleicht auch, weil es diese Risiken gibt, muss sich die politische Linke mit dem Thema beschäftigen und eine Perspektive dafür entwickeln. Es den Arbeitgebern und Neoliberalen zu überlassen, wäre brandgefährlich.
Anmerkung: Der Beitrag erschien in der LinksRum als Diskussionsbeitrag zum Thema Home-Office und vertrat den »Pro«-Standpunkt.