Der ÖRR steht in der Kritik. Private Medien sehen sich durch die gesellschaftlich finanzierte Konkurrenz bedroht. Die politische Rechte befördert Hass und inszeniert sich als Opfer eines »Haltungsjournalismus«. Im Dezember dann der Eklat in Sachsen-Anhalt: Um einer Zusammenarbeit seiner eigenen Fraktion mit Rechtsextremisten zu vorzugreifen, nimmt der CDU-Ministerpräsident Haseloff die Gesetzesvorlage zur Erhöhung des Rundfunkbeitrages zurück. Sachsen-Anhalt gefährdet damit laut deren Aussage die Finanzierung der Rundfunkanstalten; eine Einschränkung auf das Programm drohe.
Ob die Sorge des Verlagskapitals ernst zu nehmen ist, was an der Kritik dran ist und wie tatsächlich der ÖRR verbessert werden könnte, erfahrt ihr jetzt hier.
Öffentlich-Rechtlicher Wasgenau?
In Deutschland wurde der ÖRR nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt. Ziel war es, der Propagandamaschinerie der Nationalsozilisten das britische Konzept entgegenzusetzen. Durch die Finanzierung über Rundfunkbeiträge sollten Staatsferne, freie und unabhängige Berichterstattung sowie ein Beitrag zur Bildung demokratischen Öffentlichkeit sichergestellt werden.
Seit Gründung hat sich der ÖRR weiterentwickelt, stets entlang seines Auftrages, mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten. Die Gründung von Rundfunkanstalten in der ehemaligen DDR, die Entwicklung von Online-Berichterstattung, gezielte Jugendformate, Mediatheken und Videoportale.
Konkurrenz oder Koexistenz?
Nun haben insbesondere die privaten und somit gewinnorientierten Medienunternehmen ein Problem mit der Konkurrenz des gesellschaftlich getragenen Rundfunks. Während »sympathische Mittelständler*innen« wie Bertelsmann, Springer und Burda einen Großteil der deutschen Medienlandschaft ohnehin bereits unter sich aufgeteilt haben, schildern sie gleichzeitig die Bedrohungslage, der sie durch die Online-Berichterstattung der Tagesschau oder der Heute-Redaktion ausgesetzt seien. Glaubwürdig ist dies auf Basis derer Einnahme- und Vermögenssituation indes nicht. Hier dürfte das Gewinnstreben der Antrieb sein, den Onlinemarkt zu übernehmen und noch mehr Gewinn über Clickbaits, Werbung und Datenkraken zu verdienen.
Die Mär des linken Haltungsjournalismus
Insofern hat auch die politische Rechte, von Nazis bis zur »bürgerlichen Mitte« den ÖRR in den Fokus von Hass und Verleumdung genommen. Während Nazis die (öffentlich-rechtlichen) Medien mit Begriffen bezeichnen, die wir hier nicht reproduzieren, formiert sich in der CDU der Plan, den Rundfunk weitgehend abzuschaffen und den Rest zu privatisieren. Wolfgang Kubicki (FDP) bläst ins gleiche Horn und wirft dem ÖRR »Arroganz«, »Panikmache« und »Haltungsjournalismus« vor, weil sie beispielsweise im Rahmen der Corona-Krise keine abweichenden Positionen – was auch immer damit gemeint sein mag – und keine kritischen Berichte zu Fridays for Future brächten. Die Haltung dahinter gefährlich und absurd zugleich: Ausgeglichen wäre Berichterstattung demnach dann, wenn Herr Drosten und vegane Aluhut-Köche Sendezeit bekämen. Kritisch wäre Berichterstattung zu FFF wohl dann, wenn sie »Schuleschwänzen« und Antikapitalismus skandalisierte.
Solange sogenannte Satiriker* und vermeintliche Opfer von »Cancel-Culture« weiterhin zur besten Sendezeit Rassismus, Klassismus, Altersdiskriminierung und Boomer-Humor zelebrieren können und unwidersprochen gesagt werden darf, sich zu schminken um Jimmy Hendrix zu mimen mach Rassismus erfahrbar, solange sind wir von der unterstellten Unausgewogenheit im ÖRR weit entfernt.
Der Rundfunk – was geht wirklich besser?
DIE LINKE steht für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil wir glauben, dass die öffentlich-rechtlichen Sender für die Demokratie und die politische Kultur unseres Landes unverzichtbar sind.
Wie in nahezu allen Bereichen stellen wir auch hier fest, dass der »freie Markt« – entschuldigen Sie bitte – einen Scheiß regelt. Wer daran zweifelt, kann im Selbstversuch feststellen, wie tiefgründig man sich bei Netflix zur politischen Lage in Deutschland informieren kann, wie seriös die Springer-Blätter recherchieren oder wann zuletzt die Fragen von Journalisten eines privaten TV-Senders deutschlandweit bekannte Faschisten so in die Enge getrieben haben, dass sie stark emotionalisiert waren und Interviews abbrechen mussten.
Gleichwohl macht auch DIE LINKE kritische Tendenzen aus und stellt Verbesserungen zur Debatte.
- So muss beispielsweise die Finanzierung dauerhaft gesichert werden und der Rundfunk darf nicht durch politische oder inhaltliche Vorgaben eingeschränkt werden.
- Wir möchten, dass die Kreativen und Journalist*innen mehr und die Verwaltungen und Intendant*innen weniger zu sagen haben.
- Rundfunkgremien müssen mehr nach Sachverstand und weniger nach Parteizugehörigkeit oder Konfession besetzt werden.
- Den fortschreitenden Tendenzen hin zur Kommerzialisierung muss entgegengewirkt werden; die Mittel sollten für eine breites Themenspektrum, nur für einzelne Angebote wie insbesondere Fußball eingesetzt werden.
- Alle Angebote sind frei und unverschlüsselt zu übertragen; Werbung lehnen wir ab.
- Die Audio- und Mediatheken sollen die Inhalte länger und ohne Beschränkung vorhalten.
- Außerdem sprechen wir uns für eine Erweiterung der Möglichkeiten für eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag aus, z.B. für Geringverdienende, Studierende oder »Aufstocker*innen«.
Fazit – Rundfunk, quo vadis?
Der Rundfunk muss, soll und kann sich verbessern. Gleichwohl ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, sich auch schützend vor den eigenen Rundfunk zu stellen – nicht vor Kritik, sondern vor Angriffen, die seine Legitimation und damit seinen in der Verfassung verankerten Auftrag in Frage stellen.