Frontalangriff auf Messenger-Dienste

Bereits kurz nach dem abscheulichen Terroranschlag von Wien sind sich die Innenminister der EU-Staaten einig; die Behörden konnten ihn nicht verhindern, weil Kriminelle im Internet, das für Politiker überwiegend Neuland ist, geheim und vor staatlichen Augen verborgen kommunizieren.
In der Folge legt der EU-Ministerrat eine Resolution vor, welche die Anbieter von Messengern die WhatsApp, Signal oder Telegram verpflichten soll, „Backdoors“ – also: technische Hintertürchen – in die Verschlüsselung einzubauen, damit die Sicherheitsbehörden mitlesen können.

Zwar könnte man auch mangelnde länderübergreifende Zusammenarbeit der Behörden in den Fokus nehmen; immerhin gab es vorab auch Hinweise auf Kontakte des Täters aus Deutschland. Auch könnte man beleuchten, warum in sogenannten „sozialen Netzwerken“ ungehindert Hass und Hetze jedweder Couleur verbreitet werden kann.

Der beinahe reflexartige Ruf nach schärferen Gesetzen ist jedoch verständlich; diese kosten nichts und erwecken mit minimalem Arbeitsaufwand den Eindruck, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Ob diese sinnlos sind, Bürgerrechte beschränken oder sogar die Sicherheit der Bürger*innen bedrohen, scheint dabei keine Rolle zu spielen.

Was tut diese Verschlüsselung genau?
Die Verschlüsselung verändert die Daten vor dem Versand über das Internet so, dass nur die Empfängerseite etwas damit anfangen kann; dieses Prinzip heißt auch „Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“.

Vorstellen kann man sich das wie eine Postkarte, bei deren Text die Buchstaben immer durch den folgendem im Alphabet ersetzt wurden (a » b, b » c usw.) und bei der nur die Adresse im „Klartext“ steht. Dem Empfänger teilt man die – für das Beispiel einfach gehaltene – Verschlüsselungsmethode mit.

Der Postbote oder die Nachbarin, bei der die Karte aus Versehen gelandet ist, werden die Nachricht nicht verstehen können; der Empfänger kann sie leicht entschlüsseln.

Was wollen die EU-Innenminister?
Einfach ausgedrückt: Sie wollen – genauso wie der Empfänger – die Nachricht leicht entschlüsseln können. Hierzu sollen die technisch die Möglichkeit bekommen, die Verschlüsselung zu umgehen – diese Möglichkeit sollen Ihnen die Entwickler, z.B. Facebook für WhatsApp einrichten.

Warum ist das sinnlos, problematisch und vielleicht sogar gefährlich?
Sinnlos ist es, weil es in Deutschland ein vergleichbares Mittel, die sogenannte Quellen-TKÜ bereits gibt. Diese erfasst die Nachrichten, bevor oder nachdem sie ver- oder entschlüsselt werden. Auch dieses Mittel wurde von unserer Partei stark kritisiert; zumindest ist hier jedoch eine richterliche Anordnung Voraussetzung.

Darüber hinaus kann man mit geringem Aufwand technische Gegenmaßnahmen ergreifen, um auch diesem „Hintertürchen“ vorzubeugen. Kriminelle und Terroristen werden also weiterhin anonym kommunizieren können. Problematisch ist es also, weil es einen erneuten Einschnitt in die Vertraulichkeit der Kommunikation der Bürger*innen darstellt.

Gefährlich ist es, weil jedes Hintertürchen potenziell auffindbar ist. Auch die Hintertür am Haus wird immer gefunden werden, wenn man nur lange genug sucht.
So können auch Kriminelle diese gewollten Sicherheitslücken nutzen, um die Kommunikation auszuspähen und so z.B. Firmen schädigen oder Privatpersonen zu erpressen.

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